Quasi täglich begegnen uns im Alltag verschiedene Nudges. Es beginnt im Supermarkt, wo die Produktanordnung im Regal einem simplen System folgt: Markenprodukte bzw. Artikel mit einer höheren Marge werden auf Augenhöhe platziert, während günstigere Waren weiter unten angeordnet sind. Unsere größte Aufmerksamkeit gilt den leicht zugänglichen Produkten und so landen meist mehr Markenartikel im Warenkorb, als bei einer gemischten Sortierung.
Wenn große Werbeplattformen heutzutage zu Nudging greifen, ist es oft weniger eine unbewusste Orientierungshilfe, sondern manchmal eher wie der sprichwörtliche „Wink mit dem Zaunpfahl“. Doch was steckt eigentlich genau hinter diesem Begriff? Worin liegt die Abgrenzung zur Manipulation?
Nudging bedeutet übersetzt so viel wie Stupsen. Durch Nudging wird das Bewusstsein des Nutzers in eine bestimmte Richtung gelenkt. Es soll das Verhalten beeinflussen, ohne Verbote auszusprechen oder mit finanziellen Anreizen zu werben. Die Entscheidung darüber, was als gewünschtes bzw. zu vermeidendes Verhalten definiert ist, liegt bei demjenigen, der den Nudge veröffentlicht. Das klingt an sich wie Manipulation, doch hat der Nutzer im Gegensatz dazu weiterhin die freie Wahl und wird nicht zu einer Handlung gezwungen. Ein Nudge muss leicht und ohne großen Aufwand zu umgehen sein. Der Nutzer wird für seine Entscheidung auch nicht schlecht dargestellt oder verurteilt.
Geprägt wurde der Begriff durch den Wirtschaftsnobelpreisträger Richard Thaler und Rechtswissenschaftler und Harvard-Professor Cass Sunstein. Zusammen schrieben sie das Buch „Nudge – Wie man kluge Entscheidungen anstößt“. Es basiert auf psychologischen und verhaltensökonomischen Erkenntnissen, dass Menschen die genudgte Variante bevorzugen würden, wenn sie sowohl für jede bestehende Alternative über jegliche Informationen verfügen, als auch ihre Entscheidung langfristig auslegen und außerdem über genügend Selbstkontrolle verfügen ihre selbstgewählten Ziele, zum Beispiel in Bezug auf einen auf einen nachhaltigeren Lebensstil, immer umzusetzen. Selten sind alle drei Aspekte in der Realität vertreten und die Menschen neigen dazu, langfristige Konsequenzen ihres Handelns nicht genügend zu bedenken. So wird tendenziell eher eine augenscheinlich günstige Version gekauft, anstelle der teureren aber ökologisch besseren Variante. Das Konzept des Nudgings soll also dabei helfen, Entscheidungen überlegter und rationaler zu treffen.
In der digitalen-Welt äußert sich Nudging zumeist durch ein angepasstes Design der Benutzeroberfläche. Beispiele finden sich einige im Internet:
Nudges können in verschiedenen Ausprägungen erscheinen und deren Anzahl bzw. Vielfältigkeit wächst stetig. Die zehn wichtigsten Nudges laut Sunstein sind:
Mit Hilfe der Default-Einstellung wird der Standard für den Nutzer voreingestellt. Dies äußert sich beispielsweise in aktiven Häkchen wie etwa bei der Voreinstellung von beidseitigem Druck anstelle von einzelnen Blättern, mit dem Ziel Ressourcen zu sparen.
Je einfacher eine Handlung ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass diese durchgeführt wird. Folglich sollten alle Prozesse intuitiv bedienbar sein und komplexe Vorgänge vereinfacht werden.
Das Hervorheben von gewünschten Verhalten führt dazu, dass ein Nutzer eher dazu tendiert sich seinen Mitmenschen anzuschließen und es ihnen gleich zu tun. Durch den Hinweis in Hotels, dass 2/3 der Gäste die Handtücher mehrmals verwenden, wird auch bei den weiteren Gästen ein nachhaltiger Gedanke angeregt.
Der Mensch tendiert dazu, immer den einfachen Weg zu wählen. Daher sollten alle möglichen Barrieren, wie unnötige Klicks, reduziert werden.
Wenn keine Informationen zurückgehalten werden und alle Fakten einsehbar sind, fällt es einfacher eine Entscheidung zu treffen. Muss man sich zwischen zwei Äpfeln entscheiden, hilft es zu wissen, um welche Sorten es sich handelt und ob diese aus der Region stammen oder importiert sind. Nach dem gleichen Prinzip agieren auch Vergleichsportale. Hier können Besucher gezielt mehrere Produkte gegenüberstellen und so leichter ihren Favoriten ermitteln.
Da die Nutzer nicht alle Inhalte einer Website lesen, sondern diese eher grob überfliegen, sollten wichtige Warnhinweise wie beispielsweise die frühzeitige Schließung von Attraktionen, deutlich hervorgehoben werden.
Um ein Verhalten zu ändern, insbesondere Gewohnheiten, hilft es Verpflichtungen einzugehen. Durch den Kauf einer Bahncard wird man vermutlich öfter das Auto stehen lassen und mit der Bahn fahren, als ohne diese. Auch die Einbindung seiner Mitmenschen, indem man ihnen das Vorhaben mitteilt, führt zu einer Verpflichtung, die man nicht so einfach bricht.
Unvollendete Aufgaben, wie zum Beispiel das Abschließen des Kaufvorgangs, wenn der Bestellprozess vorzeitig verlassen wurde, können durch kleine Erinnerungen beeinflusst werden.
Eine Rückmeldung, ob ein Verhalten den Gegebenheiten entsprechend als positiv oder negativ zu bewerten ist, hilft dem Besucher sein Verhalten zu überdenken und zu korrigieren. Beim Autofahren zeigt ein roter Smiley, dass man die Geschwindigkeit überschreitet.
Aus Fehlern lernt man. Nudges helfen Usern dabei, auch aus den Fehlern früherer Nutzer zu lernen. Beim Geldautomaten wird darauf hingewiesen, dass zuerst die Bankkarte entnommen werden muss, bevor das Geld ausgezahlt wird.
Im Tourismus wird Nudging derzeit besonders dafür einsetzt, die Menschen zu einem nachhaltigeren Verhalten zu animieren. Wie bereits beschrieben, zählen auch die Schilder im Hotelzimmer als Nudge. Schließlich wird der Gast indirekt dazu aufgefordert seine Handtücher, wie die meisten Gäste auch, mehrfach zu benutzen.
Bei Flugreisen wird dem Nutzer die Option gegeben, seinen ökologischen Fußabdruck durch einen Kompensations-Beitrag auszugleichen. Ohne diesen Teaser würden die meisten Besucher wahrscheinlich gar nicht auf die Idee kommen. Es ist aber auch ganz einfach möglich, die Empfehlung zu ignorieren und den Bezahlprozess normal fortzusetzen.
Auch der ausflugsticker.bayern kann die Nutzer in ihrer Entscheidung beeinflussen und sie dazu bringen, ihr Verhalten zu überdenken. Etwa deswegen, weil das anvisierte Ziel über eine hohe Auslastung verfügt oder auch weil das Anzeigen von Alternativen, die eine geringere Bucherfrequenz aufweisen, ein Umdenken anregt.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass Nudging uns im Alltag oft begegnet ohne dass wir es aktiv wahrnehmen. Insbesondere im kommerziellen Bereich ist der Grad hin zur Manipulation oft fließend und die Grundregeln von Nudging, wie Entscheidungsfreiheit und Transparenz, werden oft nur ungenügend berücksichtigt. Richtig eingesetzt kann es helfen Entscheidungen zu treffen und für ein nachhaltigeres Leben sensibilisieren.
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